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Welche Wirkung hat tACS auf Traumklarheit?
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 22.03.17 unter http://lucidpygar.blogspot.com/2017/03/welche-wirkung-hat-tacs-auf.html

Dieser Blogpost entstand in Zusammenarbeit mit Sandu Kavah, Youtuber und Blogger von Traumbewusst und steeph, dem Gründer des BLucid-Podcasts. Ich bin sehr froh, ihn hier veröffentlichen zu können und möchte steeph und Sandu für die Zusammenarbeit danken.

Eine Studie, die am 11. Mai 2014 im Magazin Nature veröffentlicht wurde, sorgte in der Klarträumer-Community für ziemlichen Wirbel. Ein Team von Forscherinnen und Forschern gelang es angeblich, das Gehirn schlafender Menschen mit sehr schwachem Wechselstrom (transkranielle Wechselstromstimulation, tACS) so zu stimulieren, dass daraus in 77% der Fälle ein Klartraum resultierte. Die Studie wurde von namhaften Traumforschern durchgeführt, unter anderem von Dr. Ursula Voss von der J.W.v.Goethe-Universität in Frankfurt und Dr. Allan Hobson von der Harvard Medical School in Boston.

Die Ergebnisse lösten teilweise große Begeisterung in der Community aus. Endlich schien der Traum von quasi nächtlichen Klarträumen ohne großen Aufwand in greifbare Nähe gerückt. Es schien so einfach.

Die Werte verdienen jedoch eine genauere Untersuchung. Woher kommt die Hoffnung, dass eine Stimulation des Gehirns mit Wechselstrom, verglichen mit anderen Induktionsvarianten, sehr zuverlässig Klarträume erzeugen könnte? Was ist wirklich bekannt über dieses Verfahren? Und wie fügt es sich in andere Praktiken der Klartrauminduktion ein?

Stromstöße, tDCS, tACS, Präfrontaler Kortex

Schon in den frühen 1980er Jahren wurden von Keith Hearne vereinzelt Experimente mit elektrischem Strom zur Klartrauminduktion durchgeführt. Dabei wurde ein elektrischer Impuls verwendet, um dem Träumer ein Signal zu geben, an dem er erkennen sollte, dass er gerade träumt. Das Prinzip ist hier das gleiche, wie das der Klartrauminduktion durch blinkende Lichter, Wasserspritzer oder Audio-Botschaften während des Schlafs. tDCS und tACS verfolgen einen ganz anderen Ansatz: Durch einen niedrigen Gleich- bzw. Wechselstrom durch den Schädel und somit das Gehirn soll dieses angeregt werden, im stimulierten Bereich aktiv zu werden. Es ist also eine Form von Entrainment.

Welche mentalen Funktionen dazu führen, dass das Gehirn in bestimmten Zuständen und bei bestimmten Aktivitäten immer ähnliche Oszillationsmuster erzeugt, ist noch weitgehend unbekannt. Die Hoffnung ist bei tDCS (Transcranial direct current stimulation, also die Stimulation des Gehirns mit Gleichstrom), dass der Bereich des Hirns, durch den der Strom fließt, aktiviert wird und auch nach Ende der Stimulation weiter aktiv bleibt oder bei regelmäßiger Anwendung leichter durch mentale Übungen aktiviert werden kann. Bei tACS (Transcranial alternating current stimulation, also der Stimulation mit Wechselstrom) hofft man zusätzlich, dass die Stimulation mit einer bestimmten Frequenz dazu führt, dass das Hirn einen Zustand einnimmt, in dem typischerweise auch diese Frequenz abgegeben wird.

Die Wirkungen von tDCS wurden schon in vielen Zusammenhängen untersucht. Als Behandlung von Depression gab es dabei einige Erfolge. Andere Anwendungen werden zwar weiter erforscht, z.B. die Steigerung verschiedener geistiger Leistungen, ein weiterer eindeutiger Nutzen wurde allerdings noch nicht mit Sicherheit gefunden.

In einer früheren Studie konnte gezeigt werden, dass bei klar träumenden Personen das Gehirn im Stirnbereich, genauer im dorsolateralen präfrontalen Kortex stärker auf der Frequenz von 40 Hz arbeitet als bei trüb träumenden. Dieses Verhalten ist üblicherweise im Wachen festzustellen. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass das im Traum dazu gewonnene Bewusstsein und die erhöhte Aktivität des präfrontalen Kortex eng miteinander verbunden sind. Wahrscheinlich löst das eine das andere aus. Die Frage ist nun, ob eine externe Stimulation des Bereichs möglicherweise den Bewusstseinszustand ändern oder zumindest eine Änderung anregen kann.

tDCS-Studie von Tadas Stumbrys

2013 testeten Tadas Stumbrys, Daniel Erlacher und Michael Schredl (Volltext) die Wirkung von transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS) am präfrontalen Cortex auf Träume, um zu prüfen, ob diese die Bewusstheit im Traum erhöhen kann.

Der dorsolaterale präfrontale Kortex von 19 Versuchspersonen wurde während eines Aufenthalts im Schlaflabor mit Gleichstrom (1 mA) stimuliert bzw. erhielten die Probanden eine Scheinstimulation als Placebokontrolle.

Während der Nächte mit Stimulation waren die Traumberichte signifikant länger. Traumberichte aus tDCS-Nächten hatten eine durchschnittliche Länge von 159,9 Wörtern während Traumberichte aus Nächten ohne Stimulation im Schnitt lediglich 116,6 Wörter aufwiesen. Die Teilnehmenden wie auch externe Gutachter bewerteten die Träume deutlich häufiger als luzid.

Die Gutachter bewerteten 10% der Traumberichte aus Nächten mit Stimulation und 5% der Träume aus Nächten ohne Stimulation als Klarträume. Jedoch zeigte sich, dass nur erfahrene Klarträumer von der Stimulation profitierten.

Die Autoren vermuten, dass für die Klarheit im Traum die Aktivierung eines weiten Netzwerkes im Gehirn nötig ist. Das kann etwa durch Veranlagung oder möglicherweise durch Klartraumtraining und -erfahrung ausgebildet werden.

tACS-Studie von Ursula Voss

Nach dem gleichen Prinzip, aber mit einer anderen Messmethode, haben Ursula Voss und ihr Team untersucht, ob eine Wechselstromstimulation ebenfalls eine positive Auswirkung auf Traumklarheit hat. Das Ergebnis ist allerdings nicht so eindeutig, wie es meistens kommuniziert wird. Zwar steht in der Studie recht eindeutig, dass bei einer Stimulation mit 40 Hz in 77% der Fälle luzide Träume/Klarträume festgestellt worden seien. Die Definition für einen Klartraum entspricht hier aber nicht der üblichen. Um die Daten richtig interpretieren zu können, müssen wir uns das verwendete Messverfahren ansehen.

Die LuCiD-Skala

Um die Bewusstheit im Traum vergleichen und beurteilen zu können, wurde in einer früheren Studie von einem Forscherteam, ebenfalls um Ursula Voss und Allan Hobson die LuCiD-Skala (Measuring Consciousness in Dreams : The Lucidity and Consciousness in Dreams scale - U. Voss et al./ Consciousness and Cognition 22 (2013) 8-21) entwickelt.

Mit dieser können die Träume von Versuchspersonen hinsichtlich des Grades der Bewusstheit untersucht werden. Dafür beantwortet der Träumer einen Fragebogen mit 27 Fragen zum Erlebten. Aus den Antworten wurden in besagter Studie 2013 die Faktoren Insight, Control, Thought, Realism, Memory, Dissociation, Negative Emotion und Positive Emotion gebildet. Über eine Liste von Fragen, die der Teilnehmer subjektiv auf einer Skala von 0 bis 5 beurteilen kann, werden diesen einzelnen Faktoren Werte und Gewichtungen zugewiesen.

Typische Fragen sind zum Beispiel:

Während ich träumte, war ich mir darüber bewusst, dass alles, was ich während des Traums erlebte, nicht real war. (Insight)

oder

Während ich träumte konnte ich übernatürliche Handlungen durchführen (wie Fliegen oder Durch-Wände-Gehen). (Control)

In der Studie aus dem Jahr 2013 wurden einmal 160 Träume, davon 50 Klarträume und zur Validierung der Skala 151 weitere Traumberichte überprüft.

Betrachtung der Daten

Ein, wenn nicht der, Kritikpunkt an der tACS-Studie ist die sehr beliebige Definition des Begriffs ‘lucidity’. (Einen guten, kritischen Überblick auf englisch hat Neurocritic in einem Blogartikel verfasst.) In der Studie wird jeder Traum als Klartraum (lucid dream) bezeichnet, der in den Werten ‘Insight’ oder ‘Dissociation’ der LuCiD-Skala um zwei Standardabweichungen erhöhte Werte aufwies.

“Assumption of lucidity. Lucidity was assumed when subjects reported elevated ratings (>mean + 2 s.e.) on either or both of the LuCiD scale factors insight and dissociation. Both factors were significantly correlated (r = 0.32, P = 0.000002), suggesting a high degree of shared variance.” [Markierung von den Autoren]

Insight bedeutet hierbei die Einsicht in den Traumzustand, was der üblichen Definition eines Klartraums entspricht. Dissociation bedeutet das losgelöste Betrachten der Traumsituation z.B. aus der 3.-Person-Perspektive. - Dies ist streng genommen ein sehr, sehr unübliches Kriterium für einen Klartraum. Diese Definition der Klarheit wird allerdings nur von wenigen Forschern, z.B. Charles Tart verwendet (Siehe: Ursula Voss - Neuronale Grundlagen des luziden Träumens). Die Mehrzahl der Klartraumforscher (LaBerge, Tholey, Erlacher, Schredl) verwenden diese Definition in ihren Veröffentlichungen nicht. Wieso haben Voss et al. dies dennoch als Klartraum deklariert?

In der Studie von 2013, die die LUCiD Scale begründete, wurden die vorhin genannten 8 Faktoren im Zusammenhang mit Klarträumen und Trübträumen gebildet und auf Zusammenhänge zu Klarträumen untersucht. Von diesen 8 Faktoren korrelierten 6 signifikant mit einer erhöhten Klartraumrate:

„[A] significant difference in INSIGHT, THOUGHT, MEMORY, DISSOCIATION, CONTROL, and POSITIVE EMOTION was found while the differences in NEGATIVE EMOTION and MEMORY were not statistically significant. All differences were again significant at the 1% level with the exception of DISSOCIATON [sic!] (p < .05).“

Das bedeutet, dass es wahrscheinlicher ist, dass, wenn einer dieser Faktoren erhöht ist, ein Klartraum vorliegt. Das mag wahrscheinlich sein, aber nicht zwingend notwendig. Würde ein notwendiger Zusammenhang bestehen, d.h. würde z.B. in nahezu jedem Klartraum auch Kontrolle über den Traumverlauf vorliegen, dann müsste die Korrelation nicht nur hochsignifikant sein, sondern die Effektstärke r müsste nahezu 100% betragen (zum Vergleich: im zitierten Fall beträgt sie 32% zwischen Insight und Dissociation). Signifikanzen geben in der Statistik an, dass die gefundene Korrelation zwischen zwei Faktoren wie z.B. Klarträumen und Traumkontrolle wahrscheinlich kein Messfehler ist. Effektstärken geben an, wie stark der gefundene Zusammenhang ist, d.h. wie häufig er zu erwarten ist. Üblich in der Statistik ist es, die von Voss et al. gefundenen Korrelationen als mittelstark zu bewerten, keinesfalls aber als zwingend. Das bedeutet umgekehrt, dass Klarträume trotz Zusammenhang nicht immer Traumkontrolle, 3.-Person-Perspektive oder einen der anderen 6 signifikanten Faktoren aufweisen müssen und umgekehrt, Träume mit beispielsweise einem hohen Grad an Traumkontrolle nicht zwingend Klarträume sein müssen.

In der Studie wurde dies anscheinend ignoriert. Alle 6 signifikanten Faktoren der LuCiD-Skala wurden auch in der tACS-Studie 2014 überprüft. Das ist an sich unproblematisch und liefert interessante Ergebnisse. Doch nun fanden sich erhöhte Werte für Insight und Dissociation bei einer Stimulation mit 40 Hz und für Control bei einer Stimulation mit 25 Hz. Aufgrund der 2013 entdeckten Korrelationen schien es den Autoren nun billig, Dissociation und Insight als miteinander austauschbar zu behandeln, obwohl die Effektstärke r zwischen beiden Faktoren lediglich 36% betragen hatte. Praktisch wird nun also jeder Traum, ob mit erhöhter Traumerkenntnis oder auch nur aus der 3.-Person-Perspektive erlebt, als Klartraum deklariert. Dies verbessert das Resultat der Studie ungemein, denn die stärkste Wirkung der tACS auf die Träume wurde bei Dissociation, nicht bei Insight, verzeichnet. Im Endeffekt triggert tACS also vielleicht manchmal Insight, viel häufiger aber Dissociation, meist ohne dass diese zu Traumerkenntnis führt. Wenn Dissociation und Insight jedoch so stark verknüpft wären, dann wäre der Wert für Insight und Dissociation gleich hoch und man müsste Klarträume nicht als entweder Träume mit Insight oder Träume mit Dissociation betiteln. Höchstens kann man bei Dissociation von einer höheren Chance sprechen, klar zu werden.

Es gibt weitere Einwände gegen die Sauberkeit der Studie: Etwa ist der Faktor Dissociation, der in der Studie 2013 gebildet wurde, gar nicht reliabel. Das bedeutet, dass die Fragen, die gemeinsam den Faktor Dissociation abdecken sollen, vielleicht gar nicht einen gemeinsamen Faktor abbilden, sondern mehrere verschiedene. Die Autoren hatten dieses Problem erkannt, aber ignoriert - mit dem Hinweis darauf, dass der Faktor Dissociation trotzdem eine gute Unterscheidung zwischen klaren und nicht-klaren Träumen erlaube und somit gerechtfertigt sei.

“Reliability can be regarded as good for most factors (cf. Nunnally & Bernstein, 1994). It is slightly lower than desired for MEMORY and NEGATIVE EMOTION, and too low for DISSOCIATION. We attribute this to the heterogeneity of the constructs. As mentioned before, DISSOCIATION is of high discriminative power with regard to lucid and non-lucid dreams and can therefore considered to be valid (cf. Moosbrugger & Kelava, 2011).”

Ob dieses Vorgehen in Ordnung ist, bleibt hier eine offene Frage.

Auch kann bemängelt werden, dass die Zahl der Probanden in beiden Studien sehr gering war. Dies führt unter anderem dazu, dass die Ergebnisse zwischen verschiedenen Studien stark schwanken können.

Da die Studie aus 2014 auf die von 2013 entwickelte Skala zurückgreift, muss angenommen werden, dass die doch geringen Stichproben miteinander vergleichbar sind. Vergleicht man deren Daten in den Skalen dann aber miteinander, ergibt sich eine weitere Inkonsistenz: Träume, die in der 2013er Studie von den Probanden als „Klarträume“ eingestuft wurden, wiesen im Faktor „Insight“ durchschnittlich einen Wert von ca. 3,4 (von 0 als niedrigstes bis 5 als höchstes) auf. Das bedeutet, dass Träume, welche einen niedrigeren Grad an „Insight“ aufweisen, in der Studie von 2013 nicht als Klarträume gegolten hatten. In der 2014er Studie sieht dies anders aus: Hier wurde ganz davon abgesehen, Klarträume zu definieren und die Probanden danach zu fragen, ob sie einen Klartraum hatten. Nur noch die Faktoren wie Insight, Control, Dissociation usw. sollten graduell eingeschätzt werden. Wie hoch aber mussten diese sein, damit es sich um einen Klartraum handelt? Nimmt man die Daten der Studie 2013 als Anhaltspunkt, so müsste Insight z.B. einen Wert von etwa 3.4 oder höher betragen, damit es sich um einen Klartraum handelt. Stattdessen wurde aber nur darauf geachtet, ob der Wert bei einer Stimulation mit Strom signifikant höher ist als ohne Stromstimulation.

Konkret heißt das, dass Probanden ohne Stromstimulation einen durchschnittlichen Wert von etwa 0,1 in Insight aufwiesen, und nach einer Stimulation von 40 Hz eine signifikante Erhöhung dieses Wertes vorlag: nämlich 0,6. Das Ergebnis ist signifikant, weil eine enorme Erhöhung im Vergleich zum fehlenden Strom vorliegt, jedoch ist sie verglichen mit den Werten, in denen man laut Studie 2013 von einem Klartraum überhaupt erst spricht, viel zu gering. Auch im Faktor Control, der bei 25 Hz signifikant stärker ist als ohne Strom, liegt dieser Wert noch deutlich unter denen mit Klarträumen assoziierten Werten aus der Studie von 2013 (siehe Tabelle). Einzig im Faktor „Dissociation“ besteht ein annähernd gleicher Wert unter 40 Hz wie bei der Studie 2013 bei Klarträumen (siehe Tabelle).

Eine Balkengrafik, die die Faktoren der LuCiD-Skala (Insight, Control, Thought, Realism, Memory, Dissociation, Negative Emotions, Positive Emotions) aus den unterschiedlichen Studien gegenüberstellt. Der auffälligste aber nicht der einzige Unterschied zwischen den Studien ist der, dass bei Klarträumen in der ursprünglichen LuCiD-Studie, die Klarträume klassifizierte und ihre Merkmale und deren Gewichtung festlag, deutlich höhere Werte für Control und sehr viel höhere Werte für Insight (also Traumerkenntnis) auftraten, als bei späteren Studien, die bei denen die von uns kritisierte, leicht abweichende Definition eines Klartraums.

Die Grafik oben vergleicht die Daten der LuCiD-Studie aus dem Jahr 2013 mit denen aus der tACS-Studie aus dem Jahr 2014. Die Werte für die für Klarträume relevanten Faktoren Insight und Control, auf die es für den Träumer am meisten ankommt, liegen deutlich unter den Werten, die der Veröffentlichung aus dem Jahr 2013 zugrunde lagen. Lediglich der Wert für Dissociation ist vergleichbar hoch. Dieser Aspekt der Klarheit ist für den Hobbyklarträumer wenig interessant und, wie wir sahen, kein zwingendes Korrelat von Traumklarheit.

Nicht nur ist der Effekt der 40 Hz Spannung primär einer auf den Faktor Dissocation, während der Einfluss auf Insight viel geringfügiger ist. Der Einfluss auf Insight erhöht diese außerdem im Durchschnitt nicht auf einen Wert, in welchem man üblicherweise von Traumerkenntnis sprechen würde. Das Resultat dieses Ergebnisses ist also, dass der Stromstoß zwar zu einer Erhöhung im Faktor Insight führen kann, jedoch nur in einem so geringen Maß, dass man hier allenfalls von Präluzidität ausgehen kann. Diese könnte zwar Anstoß für eine noch weiter erhöhte Klarheit sein. Ob aber eine häufigere Anwendung dieser Stromstöße tatsächlich auch zu einer Kumulation des gefundenen Effekts führt, oder ob die Erhöhung sich auf dem gefundenen, doch sehr niedrigen Level einpendelt, müsste erst in einer zukünftigen Studie untersucht werden.

Sicherlich ist die graduelle Einteilung von Klarheitsfaktoren eine Bereicherung für die Forschung. Sie ermöglichte es erst, dass die doch eher geringen Effekte auf das Bewusstsein durch tACS aufgefunden werden konnten. Die in der Wissenschaft und der Gesellschaft gebräuchliche Bezeichnung für luzide Träume können dabei aber nicht einfach umdefiniert werden, denn diese sind nicht nur etablierte Begriffe, sondern auch in der Festlegung der LUCiD Skala wurde diese Definition zugrunde gelegt, um überhaupt die gefundenen Faktoren als „Klarheitsfaktoren“ interpretieren zu können. Darum muss sich auch an die dafür gefundenen Werte und festgelegten Definitionen gehalten werden.

So wäre es vermutlich auch nicht zu dem großen Missverständnis gekommen, dass in 77% der Stimulationen mit 40 Hz Traumklarheit vorgelegen hätte. Die zum Missverstehen optimal geeignete Darstellung der Studienergebnisse sorgte nämlich nicht nur unter wissenschaftsfernen Klarträumern für diese falsche Annahme,.

Wegen dieser Definition wurden die Ergebnisse der Studie teils heftig kritisiert. Würde man im allgemeinen Sprachgebrauch Träume mit so einer Beurteilung als Klarträume bezeichnen?

Natürlich interessiert uns die Meinung der Wissenschaftler, die die Studie durchgeführt haben, dazu. Vielleicht gab es ja Gründe für diese Definition, die uns bisher verborgen geblieben sind. Aus der Vergangenheit wussten wir schon, dass Frau Dr. Voss E-Mails von interessierten Hobby-Klarträumern beantwortet. Wir haben Frau Dr. Voss also angeschrieben und um ihre Darstellung gebeten. Nach einigen E-Mails in beide Richtungen sind wir jedoch nicht klüger als am Anfang.

Zu Ihren Fragen inhaltlicher Art: Wir gehen davon aus, dass es nicht "den Klartraum" gibt. Das, was wir für unsere wissenschaftlichen Studien als Klartraum definieren, sind quantitative Ausschläge auf der Bewusstseinsebene zu den Qualitäten Dissoziation, Kontrolle und Einsicht.

Einen Hobby-Klarträumer wird das nicht begeistern. Der oder die Hobby-Klarträumer/in will in der Regel Kontrolle über die Traumhandlung erleben und geht dafür über den Umweg der luziden Einsicht, weil sich Kontrolle eben über die Einsicht leichter erreichen lässt. Einsicht ist sozusagen ein guter Einstieg in den Kontrolltraum.

Der Mail-Austausch endete mit der Bitte, die Studie noch einmal zu lesen. Offenbar vermutet sie ein Missverständnis, das weder wir, noch irgendjemand anderes, mit dem wir über die Studie gesprochen haben, erkennen kann.

Auch Jay von Lucid Sage hat in der Vergangenheit versucht, die Kritik an der Studie in persönlichem Kontakt mit Frau Voss zu ergründen. Auch er kam zu keinem Ergebnis und hatte nicht den Eindruck, dass seine Kritik ankam. In einem Blogpost hat er ihre Antworten auf seine Fragen veröffentlicht.

Vergleich der Studie von Tadas Stumbrys (tDCS) mit der von Ursula Voss (tACS)

Leider sind diese Studien nur bedingt vergleichbar.
  • Es wurden in der tDCS-Studie sowohl erfahrene Klarträumer als auch nicht klar träumende Versuchspersonen verglichen. Das hat Auswirkungen auf die Streuung der Werte für die Klarheit in Nächten ohne Stimulation und somit auf die Effektstärke.
  • Ebenso zeigte sich, dass Versuchspersonen mit Klartraum-Vorerfahrung deutlich mehr von der Stimulation profitierten.
  • Die Definition von Klarheit / Luzidität ist nicht vergleichbar.
  • Die Wirkung auf die Bewusstheit im Traum wurde bei der tDCS-Studie nicht mit der LuCiD-Scale sondern mit einem anderen Verfahren, dem DLQ questionnaire, erfasst. Diese Zahlenwerte sind ebenfalls nicht vergleichbar.
  • In beiden Studien wurden die Gehirne der Versuchspersonen unterschiedlich lange stimuliert.
  • Die verwendete Stromstärke war bei der tDCS-Studie viermal so hoch wie bei der tACS-Studie.
  • Die Anzahl und Anordnung der Stimulations-Elektroden war unterschiedlich.

Beide Studien zeigten, dass sich die Metakognition und die Bewusstheit im Traum durch eine elektrische Stimulation des Gehirns verbessern lassen. Rein wissenschaftlich ist der Erkenntnisgewinn bedeutend.

Im Hinblick auf die tACS-Studie ist noch anzumerken, dass aus Gründen der Vergleichbarkeit nur ‘naive Subjects’, also Testpersonen, die noch nie von Klarträumen gehört haben, an der Untersuchung teilgenommen haben. Möglicherweise hätten in diesem Versuchsaufbau bereits erfahrene Klarträumer mehr profitiert.

Die Langzeitwirkung sowohl der 40-Hz-Stimulation als auch der Gleichstromstimulation wurden nicht untersucht. Deshalb sind auch Risiken und Effekte bei Langzeitanwendung noch unzureichend bekannt.

Fazit

Bei all der Kritik an der Studie möchten wir nicht vergessen, welchen Wert ihre Ergebnisse für die Klartraumforschung haben. Vor der teilweise fragwürdigen statischen Auswertung sind die gesammelten Daten nicht zu verachten und die Erkenntnis, dass eine Wechselstromstimulation des Hirns dessen Aktivität beeinflussen und anscheinend sogar Trauminhalte in eine gewünschte Richtung lenken kann, nicht zu unterschätzen. Jedoch ist die Darstellung, die Studie habe gezeigt, dass tACS den Bewusstseinszustand verändern könnte, aus unserer Sicht auf jeden Fall zu hoch gegriffen.

Wir verstehen, dass für wissenschaftliche Untersuchungen eine Definition eines Klartraums in einem Satz, wie sie unter Hobbyisten üblich ist, nicht immer zufriedenstellend ist, da sie Fälle zulässt, die nicht eindeutig zugeordnet werden kann oder von unterschiedlichen Personen unterschiedlich zugeordnet wird. Es ist also richtig, die verschiedenen Aspekte, die zu Klarträumen gehören können, in Werten zu erfassen, die vergleichbar und statistisch auswertbar sind. Dr. Voss et al. haben hier mit der LuCiD-Skala einen guten Vorstoß gemacht. Wir würden uns freuen, wenn sich diese in der Klartraumforschung etablieren würde.

In der hier überwiegend behandelten tACS-Studie wurden allerdings für die Auswertung mehrere fragwürdige Entscheidungen getroffen. Die Herkunft der verwendeten Definition eines Klartraums ist nicht nachvollziehbar, die Beweggründe nicht eindeutig. Die statistische Abgrenzung wird den aus in der Vergangenheit gesammelten Daten gewonnenen Erkenntnissen nicht gerecht.

Im zweiten Teil dieses Artikels werden wir Praxiserfahrungen, Versuche von Hobby-Forschern und kommerzielle tACS-Geräte für Konsumenten, die für den Einsatz als Klartraum-Unterstützung beworben werden, betrachten.

Siehe auch:

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Comparing apples and oranges: a randomised prospective study

There is a research paper that was published a year ago and hasn't gotton enough attention in my opinion. I wished many times that somebody attempted something line this scientifically.

There are several very basic things wrong with this paper. The results are pretty much useless apart from the overall success of the comparison itself. Ignore the details. I can finally say with confidence that comparing apples with oranges is not as outragiously impossible as it is usually made out to be.

Here's the link to the paper. And here it is on NCBI.

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Lucid dream induction really is easy when it's not hard.

Becoming conscious of your dream state while dreaming is in a category in my mind that I call "like stopping smoking". It isn't like stopping smoking in many other ways. But in a way it is similar. There is no obvious requirement in order to achieve one of those goals. You just have to do it and it's done. As far as clearly formulatable instructions go, that's it. Just remember to notice the next time you're dreaming and you'll become aware. The first ever defined, written down and named lucid dream induction technique, based on the research of and published by Stephen LaBerge, is based a great deal on this assumption. MILD (Mnemonic Induction to Lucid Dreaming) is one of the most widely known lucid dream (LD) induction techniques. But it often is condensed so much that it loses most of its important instructions in the most popular online guides. For a complete picture with all the practical exercises the, as it were, original description from the book Exploring the World of Lucid Dreaming (book scan) is still the best introduction and guide to this induction technique and probably always will be.

I've used many different techniques to induce lucid dreams over in my time. Some with more success, some with less, some without. After a few years of regular practice, I've come to focus on a hand-full of techniques and personal adaptions of published techniques that seemed to help me best achieve my dream goals. Almost everybody who does intense and/or prolonged lucid dream practice seems to get to a point where they find "their" technique(s) or combination(s). That makes sense because people's life's are structured differently and different personalities and preferences presumably make different techniques more successful than others. But no LD induction technique is surefire. Apart from few counterexamples every dreamer wakes up with no new memory of dream lucidity more often than with a new success. It's an ubiquitous subject on every lucid dreaming forum and a inherent part of lucid dreaming practice. Becoming lucid every night is just not a realistic goal for most dreamers, no matter how hard they wish and try.

A lot could be said (and is said elsewhere) about the best approach and the right mind-set for lucid dream induction. I could write a huge review of different approaches, techniques and practices based on my own experiences. But I don't think that this would be much more helpful than the countless blog entries and forum posts about other dreamer's experiences. They are my experiences. Parts of them may overlap with useful tips that you can find in other posts and guides. But they are as likely to be helpful to you specifically as any other honest, optimistic step-by-step guide on the net, which is usually not at all. I could write a review of scientific studies and what practical instruction one could derive from them that have the highest likelihood of helping a large percentage of lucid dreamers looking for instructions. But such a review wouldn't be huge because the amount of comparable studies on the efficiency of LD induction techniques is tiny. The amount of research on the subject isn't large as it is, especially well-design studies, especially with more than a few participants. And the methodology used differs in almost every single study. That's why I so easily accept the fact that the lucid dreaming community still creates knew "knowledge" almost exclusively based on the sum of many individual anecdotes. The sum differs for everybody, based on what web sites they read and which posts they read and skip. Helpful practices emerge out of repetition of self experiment and the amateurish and biased publications in the form of short forum posts and incomplete and deformed retellings. As with mutations in other areas (with which I struggle to compare these memetic changes), prolific evolution is incredibly rare, which is why every dreamer with the wish to be able to become more lucid in their dreams or to have more lucid dreams is still stuck with blindly trying all sorts of practices without immediate feedback of progress or success.

I want to believe that there is some element in the variety of dreamers and LD induction attempts that plays such a large role in deciding the outcome of intentional attempts to obtain conscious experiences in dreams that managing this possibly yet unknown element would lead to a drastic rise in the success rate of such attempts. I'm far from being able to ascertain what this proposed element could be, if there was one. I'm just someone reading interesting sounding research papers and forum posts on lucid dreaming and experimenting with my own dreams. But to make my thought more intelligible, here is an idea how this could look like.

Because I'm in no way knowledgable in either neurology nor psychology I'll keep it short and broad, in the hopes of not saying too many too stupid things. Brain chemistry plays a big role in how we consciously experience the world. No lucid dreamer (at least not that I've heard about) knows what's going on chemically in their brain when they do their practice. They don't know how the repeated practice influences brain chemistry and they don't know what was chemically different in their brain during their successful induction attempts compared with their unsuccessful induction attempts. No lucid dreamer takes regular blood tests to learn something about the stuff that is pumped through their brains when they go to bed. Drug use is a common topic among some interested lucid dreamers and some medications have been proven to increase the LD frequency. But that's just a few medications that were tried because it seemed likely that they might have this affect based on what whas already known about them, mainly about their side effects when used with other intents. Remember: I don't know anything about neurology. But I can't help but think that intuitively it seems to me that there must be a large untapped potential for lucid dream research that could make dream consciousness easier to achieve.

Please don't hold back if you want to tell me how wrong I am. Especially if you want to tell me why I'm wrong. :)

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