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Entries tagged 'cat:Selbstbild'

Selbstbild

Letztens habe ich mich mit jemandem unterhalten, der eine Sicht auf seine Rolle als Deutscher mit Migrationshintergrund in der Deutschen Gesellschaft hat, die ich, in diesem Ausmaß, noch nie zuvor wahrgenommen habe. Er bezeichnet sich selbst als Kanacke, wenn er seine Wahrnehmung seiner Position in der Gesellschaft beschreibt, um deutlich zu machen, dass ihm bewusst ist, wie er häufig wahrgenommen wird. Er wurde beim Autofahren schon oft angehalten, nur um ihm nach einem Fahrerlaubnischeck mit der Bitte, vorsichtig zu sein, wieder weiterfahren zu lassen. Eine Erfahrung, die ich als weißer Deutscher, obwohl ich jahrelang Vialfahrer war, nie gemacht habe. Ich weiß aber aus anderen Gründen zumindest, wie es ist, an Bahnhöfen und auf großen Plätzen von der Polizei, meiner Meinung nach anlasslos, kontrolliert zu werden. Man gewöhnt sich dran und wenn es zu viel wird beginnt man, sich unauffälliger zu kleiden und so zu verhalten, wie man vermutet, dass es von einem erwartet wird. Als Weißer habe ich die Option, dieses Spiel so weit mitzuspielen, dass ich gar nicht mehr kontrolliert werde. Aber wer als Außenseiter behandelt wird, ohne etwas dagegen tun zu können, lernt, sich mit dieser Rolle zu identifizieren. Genau so verhält es sich, so nehme ich an, wenn einem immer wieder gezeigt wird, dass man als Gefahr, als verdächtig oder als jemand, der beobachtet, kontrolliert und in Schach gehalten werden muss, betrachtet wird. Es wird Teil der Identität, die auch aus dem Selbstbild mit geformt wird, das andere einem aufdrängen.

Das alleine wäre schon genug, um darüber nachzudenken und daraus Schlüsse für viele Aspekte des eigenen Lebens zu ziehen. Den nächsten Teil der Unterhaltung aber habe ich als Anlass genommen, das hier zu schreiben. Es fühlt sich wie ein Geständnis an jetzt zu sagen: Mit so einer Sichtweise habe ich nicht gerechnet. Offenbar ist er selbst davon überzeugt, dass zu einer Rasse gehört, die in der Gesellschaft weniger zu sagen hat, als "deutsche" Deutsche, dem Schicksal, Verbrechen leicheter zu verfallen, als Weiße, ausgeliefert ist und aufgrund ihres Neurotyps weniger wert ist, als leistungsfähige "richtige" Bürger. Die Überzeugung, dass er für mindestlohn arbeiten muss, sich einer Peergroup, die zu Gewaltverbrechen neigt, zugehörig fühlen muss und Auto fahren muss, wie ein Geisteskranker auf Todesfahrt, um seiner Identität zu entsprechen, scheint groß zu sein.

Meine Gedanken zu dem Thema waren seit letztens vielfältig, führen aber zu nichts, was ich als brauchbar bezeichnen möchte. Ich müsste noch mal mit anderen darüber reden.

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