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Ein Wahnsinnsroman

Also, ich mach' ja keine Buchempfehlungen. Also, eigentlich. Dazu hab' ich auch gar nich' genug Ahnung von Büchern. Oder von Literatur und so. Und ich les' ja auch fast nie ein Buch. Deswegen will ich eigentlich immer gleich empfehlen, was ich gelesen habe, weil es immer was besonderes für mich is'. Aber mach' ich dann halt nie, weil das wäre einfach nur eine Liste von Büchern, die ich mal gelesen habe, was nicht von Qualität oder anderen guten Eigenschaften des Buchs zeugt, sondern nur der Tatsache, dass es mir mal unter kam und sich mir nicht in einer abstoßenden Art präsentierte. Für dieses hier mach' ich jetz' aber mal 'ne Ausnahme, weil es mir so vor kommt, als sei dieser Humor irgendwie so kleinnieschen-füllend, dass es wahrscheinlich nicht groß durch alle Blogs und Fediverse-Teilnehmer rum-empfohglen wird. Das wurde es bestimmt als es 2011 raus kam (bei Dumont), als sein Autor auf Twitter eine recht große Folgschaft hatte. Da hab' ich auch beschlossen, es zu kaufen. Ca. 6,7 Jahre später kam ich dann auch endlich mal dazu. Noch mal ca. 6,7 Jahre später kam ich dann auch endlich mal dazu, es zu lesen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das Buch ist tatsächlich so verrückt und lustig, wie sich sein Autor damals auf Twitter gab.

Ach, ich sollte mal sagen, wovon ich rede. Entschuldogen Sie meine Störung von Jan-Uwe Fitz (Ich weiß bis heute nicht, wozu er einen Doppelname hat. Aber muss er ja wissen.) trägt den Untertitel "Ein Wahnsinssroman", vermutlich um darauf hinzuweisen, dass der Autor wahnsinnig ist, oder der Protagonist. Wobei nahegelegt wird, dass zwischen den beiden so absolut gar kein Unterschied besteht. Der Protagonist referenziert im Buch selbst, eben dieses gerade zu schreiben. Also muss ich doch davon ausgehen, dass an keiner Stelle darin irgendwelche Übertreibungen oder rein dem Witz oder der Absurditätssteigerung dienenden Falschbehauptungen vorkommen. Das beides doch tatsächlich der Fall ist macht einen Teil des Reizes aus. Etwa wenn er von Misshandlunegn durch seine Eltern in seiner Kindheit erzählt, ist es vorstellbar, dass derartige Dinge in manchen Haushalten wirklich passieren oder so erinnert werden. Mit Humor darüber sowohl zu schreiben als auch zu stehen ist auch eine Möglichkeit, die ich niemandem absprechen möchte. Absurd-extreme Reaktionen und Geschichten sind aber so häufig, dass selbst ich mit meiner Nativität annehmen muss, dass ein nicht gerade kleine Portion Fiktion in die Geschichten eingeflossen sein muss, um mein Menschenbild aufrecht erhalten zu können. Ich kann nur vermuten, dass vieles auf wahren Begebenheiten beruht und echte Erlebnisse in Geschichten ein- oder zu solchen verarbeitet wurden. Da ich als Leser den Unterschied nicht ausmachen kann, habe ich das ganze Buch als einen Roman betrachtet, der der Unterhaltung dienen soll. Ich finde, so präsentiert er sich auch.

Wenn die Förster ein Einsehen mit uns Paranoikern hätten, würden sie mehr Spiegel in deutschen Wäldern anbringen. Solche Spiegel, wie sie im deutschen Straßenverkehr an Schwer einzusehenden Kreuzungen un Einfahrten hängen. Dann könnten wir früh genug hinter die Bäume blicken und würden, falls wir dort einen Räuber erspäten, entweder einen anderen Weg einschlagen oder, falls die Luft rein ist, beruhigt weiter unserer Wege gehen. Aber wir Paranoiker haben keine so starke Lobby wie die Autofahrer.

Jan-Uwe Fitz, im Netz auch bekannt als Der Taubenvergrämer (@vergraemer@twitter.com) gehtz sehr offen damit um, dass er selbst mit einer Menschenangst ausgestattet ist, die sein ganzes Leben und seinen Alltag stark beeinflusst. Sicherlich ist vieles in dem Buch auch eine Art Aufarbeitung von Erlebtem und fantasiertem. Die kompromisslos absurde Fantasie, der augenscheinlich in keiner Situation Einhalt geboten wird, prägt jede Geschichte des Buchs. Konversationen, die an britische Sketch-Shows aus den 80ern (Jaja, ich meine Monthy Python, weniger das, was versucht hat, deren Erfolg nachzubilden.) oder den frühen 90er erinnern, aber auf deutsch halt und mit einer Prise Wahnsinn, die der Protagonist doch oft sehr offensiv anspricht.

Ausschnitt aus einem längeren Dialog:

»Sie klingen sehr erfahren. Sind Sie schon häufiger Amok gelaufen?«

»Nein, zum ersten Mal. Finden Sie, ich mache das gut?«

»Ja, aber was mich noch interessieren würde: Man hat ja nicht immer die Chance, einen Amokläufer nach seinen Motiven zu befragen. Also: Spielen Sie viele Computerspiele?«

»Gar nicht.«

»Dann kann das nicht der Grund sein.«

»Nein, ich gebe der Gesellschaft die Schuld. Zu viele Menschen, die in meiner Gegenwart laut telefonieren zum Beispiel.«

»Das ist ein Motiv. Aber sagen Sie: Müssten Sie nicht vielleicht etwas fester zudrücken? Damit ich keine Luft mehr bekomme?«

»Sie bekommen noch Luft?«

»O ja. Hören Sie mal.«

Ich atme tief ein und aus wie ein Patient, der von seinem Arzt mit dem Stethoskop abgehört wird.

»Sie erstaunen mich. Sie zäher Hund. Dann sollte ich tatsächlich noch stärker zudrücken.« Herr Menke wirkt leicht verunsichert. »Wenn Sie am Ende nicht tot sind, ist so ein Amoklauf ja auch blöd.«

Er drückt nun tatsächlich etwas fester zu.

»Und? Jetzt besser?«

»Joh, etwas«, presse ich angestrengt hervor, weil er tatsächlich stärker zudrückt. »Aber sagen Sie mal: Darf ich mich als Opfer eigentlich wehren, oder gibt es Amoklaufkonvbentionen, die ich zu beachten habe?«

»Nein, das hängt vom Be-Amokten ab. Das muss jeder für sich entscheiden.«

Der erste Teil des Buchs ist eine gut sortierte Sammlung von Kurzgeschichten. Richtig kurz manchmal. Für eine Sketch-Show ohne Regeln genau das richtige. Interessante Momente und abstruse Gedanken, die vermutlich mal raus mussten. Der gemeinsame Kontext ist das Leben des Protagonisten, aus dem die Geschichten stammen. Der zweite Teil ist eine längere, zusammenhängende Geschichte über das Bestreben einen guten Therapieplatz zu bekommen/in eine Nervenheilanstalt einzubrechen und sich einen freien Platz zu ermorden. Der dritte Teil ist kurz. /p>

Oft nahm mich mein Vater zur Seite und sagte »Sohn, du hast so viele Ängste. Mach etwas aus ihnen.« Dann zuckte er zusammen, weil er durch mein Kinderzimmerfenster die Birke im Vorgarten sah. »Siehst du«, sagte er traurig. »Ich habe nur meine Angst vor Bäumen. Aber in dir steckt so viel mehr. Du bist voller so wunderbarer Phobien. Ich werde dich moren in der Störungsstelle anmelden, damit deine Talente gefördert werden.«

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